Stop Motion
Zum Tod des Hamburger Künstlers Claus Böhmler
Es gibt ein Video von Claus Böhmler, das schlicht zeigt, wie eine Schallplatte auf den Teller gelegt wird und der Tonarm nach innen wandert, bis die nächste Platte aufgelegt wird. Wer würde zu Hause so lange in die Rille starren? Vor dem Video aber bleibt man sitzen und schaut dem Medium bei der Arbeit zu. Hier zeigt sich der lakonische Witz, mit dem Böhmler jede Technologie beim Wort nahm. Der 1939 in Heilbronn Geborene war einer der ersten deutschen Medienkünstler. Er war Meisterschüler bei Joseph Beuys und wurde früh vom Galeristen Alfred Schmela ausgestellt. Er nahm an der“Medien-Documenta“ von 1977 teil und hatte Einzelausstellungen im Kölnischen Kunstverein, im Kasseler Fridericianum und zweimal in der Hamburger Kunsthalle. Von 1974 bis 2005 war er leidenschaftlicher Professor in Hamburg, mit Schülern wie Martin Kippenberger und Albert Oehlen. Trotzdem ist sein Name über den Kreis der Weggefährten hinaus kaum bekannt. Das liegt zum einen am mangelnden Talent zur Selbstvermarktung, dem andererseits die Gestalt seiner Kunst entspricht. Böhmler war ein Meister der kleinen Form, dem Karopapier und ein Kinderstempel mit dem Disney-Pinocchio genügten, um die Möglichkeiten und Grenzen des Animationsfilms auszuloten. Einer, der sich so sehr in die Bedingungen der Darstellbarkeit hineinfuchste, dass es sich umso mehr lohnt, ihn wieder ins Licht zu holen. Vergangene Woche ist Böhmler in seiner Wohnung in Hamburg gestorben. kjr
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.02.2017, Nr. 49, S